Sexueller Missbrauch ist in aller Munde, geistlicher Missbrauch, Machtmissbrauch dagegen nicht in dem Maße. Dabei haben geistliche Gemeinschaften ganz viel Macht über ihre Mitglieder und Menschen, die sich ihnen anvertrauen. Das tun in höherem Maße solche Menschen, die es im Leben schwerer haben oder hatten und religiösen Halt suchen, den sie sonst nicht finden. Hier finden sie ein Stück Geborgenheit, spüren in besonderem Maße die Liebe Gottes, die ihnen liebevolle Menschen angedeihen lassen. Abhängigkeit lauert auch hier. Wird anfangs so viel Zuwendung genossen, gar Euphorie erzeugt, werden kritische Stimmen im Menschen selber, sich meldende negative Gefühle, überhört oder eher als eigene Undankbarkeit angesehen, weil andere es doch so gut mit einem meinen. Zudem ist das Wort "Versöhnung" großgeschrieben und Konflikte werden so leicht unter der Decke gehalten oder gleich wieder zugeschüttet. -
Nun gibt es gerade in der ignatianischen Spiritualität so viel persönliche Reflektion , so viel Anschauen der eigenen Empfindungen, der inneren Bewegungen und ein Unterscheiden, wes Geistes Kind diese sind:
Sind sie langfristig aufbauend für mein Selbstwertgefühl und meine Autonomie und innere Freiheit oder stellen sie diese unmerklich infrage und ich gerate in Abhängigkeit, aus der ich mich nur durch Schuldgefühle hindurch befreien kann? -
Ausgerechnet bei uns, wir sind dagegen doch gewappnet! Bei anderen ja, die merkwürdige Spiritualitäten und Gebetsgepflogenheiten pflegen, die eher abgeschottet wie eine Sekte leben, und "nicht in unsere moderne Zeit der Freiheit und Selbstbestimmung passen."
Ja, wir sind betroffen.. Wir haben uns in der Regionalgemeinschaft Aachen - Köln in zwei von einem Mediator begleiteten Krisensitzungen massiven Konflikten gestellt, Das Ausmaß wurde offenbart durch eine konkrete Offenlegung im Gefolge der Missbrauchsstudie (MHG - Studie der deutschen Bischöfe 1918.) Es gab eine heftige Eruption. Vorher schien alles friedlich, Jahre wurden verklärt gesehen, weil es eben Zuwachs gab an Mitgliedern. Die offene Kommunikation wurde gepriesen: die vielen innovativen Ideen, und alles so leicht, dass es Spaß machte (was ja oftmals für sich spricht, was soll man eigentlich dagegen haben?) Und die ignatianische Spiritualität ein leichtes, beglückendes Unterfangen.
Unter der Decke, der Schwelle der Wahrnehmung aber hatte es Vernebelung und Vertuschung gegeben, Machtgerangel, Lagerbildung, Freund - Feind -Denken, "Die Gestrigen" - "Die von Heute". Es gab Wagenburgmentalität, Ausbootungsversuche und vielseits gestörtes Vertrauen.
Auf der anderen Seite die ganze Palette des Unbehagens, der schwarzen Schatten, des Nicht-Wahrhaben-Wollens, der schleichenden Emigration derer, die aufgrund eigener Missbrauchserfahrungen sich zurückhielten und ein Vorsichts- und Vermeidungsverhalten pflegten.
Für die einen brach eher eine heile Welt zusammen, und Offenlegung wurde als böser Angriff erlebt. Die Konfrontation mit der Sicht der Opfer, die in ihrem Leben sexuellen und spirituellen Missbrauch erlebt hatten, wirkte extrem verstörend, und reaktiv kam es zur Tendenz einer schnellen Versöhnung (sprich: schneller Reparatur. "Dazu haben wir in der GCL doch alles.") Ehe alles auseinanderbreche, und alle Verlierer wären.
Andere wandten, sich selbst schützend, sich von der Regionalgemeinschaft ab.
Der Heilungsprozess, dessen sind sich wohl alle einig, wird ein langwieriger sein. Andererseits: ein Ringen um neues Vertrauen kann auch befriedigend, befreiend und auf andere Art beglückend sein. Kommunikation weitet: man lernt einander neu und besser kennen und erfährt eine Erweiterung des eigenen Blickwinkels. Man beginnt zu ahnen, wenn es von Jesus heißt: "Er wusste, was im Menschen war." Denn es sind auf einmal neue Chancen des Dialogs zu erkennen. Wie verschieden wir alle sind. Von dieser Verschiedenheit profitieren alle. Das geschieht quer über die vermeintlichen Lager hinweg. Dies ist auch Brot-notwendig.